50 Jahre Begeisterung

Der rote Retter

Vor Kurzem schrieb ich über 100 Jahre Einheitskurzschrift. Heute kann ich sagen, dass vor genau 50 Jahren meine Versuche begannen, diese Kunst zu erlernen. Am 3. Dezember 1974 - meine Tagebucheinträge reichen tatsächlich so weit zurück - startete auf Initiative einer Lehrerin unserer Berufsschule in Lübbenau ein Stenokurs, der uns Jungs der Schlosserklasse - nebenbei erwarben wir dort auch das Abitur - die Möglichkeit eröffnen sollte, bei einem späteren Studium alle Vorlesungen mit flinker Hand aufzuzeichnen.

Zumindest hatten wir uns das erhofft. Und so saßen wir erwartungsfroh da und machten bald unsere ersten Versuche im Stil von Grundschulerstklässlern, die mit steifen Fingern Buchstaben malen. Der farbige Held aus der oberen Grafik war wohl die erste Wortgruppe, die wir zu Papier brachten. Leider kann ich das nicht mehr genau belegen, denn das erste Stenoheft, das ich über Jahrzehnte aufgehoben hatte, war nun, als ich es an seinem Stammplatz suchte, wohl zu Staub zerfallen, jedenfalls weder dort noch an allen anderen denkbaren oder unmöglichen Stellen zu finden. Schade! ☹️

Für mich war die Begegnung mit diesen Zeichen Liebe auf den ersten Blick, und so störte es mich auch nicht, dass schon nach der dritten Unterrichtsstunde die Fortbildung wegen Krankheit der Lehrerin abbrach. Ich lernte einfach im Selbststudium weiter.

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Damals war das Kurzschriftsystem übrigens die Notizschrift nach Urkunde der Deutschen Stenografie, die am 1. Juni 1970 in der DDR veröffentlicht wurde und deren wichtigste Zielsetzung die Vereinfachung der Verkehrsschrift war, was durch verschiedene Anpassungen, vor allem dem Verzicht auf das Aufstrich-t und ein etwas anders geschriebenes s und den dadurch möglichen Wegfall vieler Anschlussregeln, erreicht wurde. Mit der politischen Wende hatte dieses System aus verschiedenen Gründen keine Chance auf Weiterbestand mehr. So ist es wohl nur das damalige Kürzel für “und” - wie ein halbstufig tiefgestelltes Kürzel “ver-” geschrieben - , das - sozusagen als der grüne Abbiegepfeil der Stenografie - auf Grund seiner Prägnanz und guten Verbindungsmöglichkeit mit folgenden Artikeln den Weg von Ost nach West in die Stenogramme einzelner Meisterschreiber geschafft hat.

Mich begeistern die Verkürzungsmöglichkeiten der Stenografie - egal welchen Systems - auch nach dieser langen Zeit immer noch. Angefangen hat es vor einem halben Jahrhundert, als wir schon nach der ersten Unterrichtsstunde am nächsten Tag stolz für unseren geliebten Deutschlehrer - sein Vorname war einfach zu passend - dieses Lob an die Tafel schreiben konnten:

Egon ist nett